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Ein Bär verjagt den Winter

Mit Musik und Begleitung  zieht der „Äerzebär“ am Veilchendienstag-Nachmittag durch die historischen Fachwerkreihen von Kommern. (c) Archivfoto: pp/Agentur ProfiPress
Datum:
Mi. 24. Jan. 2024
Von:
Agnes Peters

Mechernich-Kommern  – Der „Äerzebär“ geht auch am Karnevalsdienstag 2024 ab 14 Uhr in Kommern um. Dieses Jahr soll Stephan Taubert die in Erbsenstroh gewickelte Traditionsfigur darstellen, mit deren Hilfe nach alter Überzeugung die Wintergeister ausgetrieben werden. „Bärenführer ist einmal mehr Roland Conrads“, schreibt Thomas Metzen, der Presseoffizier der KG „Greesberger“, an die Mechernicher Agentur „ProfiPress“.

Eingekleidet wird gewohnt bei Peter Hein auf dem Wingert. Danach startet der Umzug mit einem gemischtem Musikverein aus Kommerner, Eickser und Mechernicher Spielmannsleuten sowie dem Dreigestirn (Jungfrau Bärbel alias Thomas Bank, Prinz Jan I. Jaeck und Bauer Marc Schoeller) zuerst ins Rothenfeld, dann ins Einkaufs- und Gewerbegebiet, zum Stollen, die Kölner Straße hoch zum Krug, die Gielsgasse entlang und weiter „Auf dem Acker“ und die Hüllenstraße.

 


„Ruhe vor der Fastenzeit“

 


Schließlich soll Stephan Taubert aus seinem Strohmantel befreit und das Erbsenlaub am Bleibach verbrannt werden. Der Erlös der Sammlung an Türen und auf den Straßen wird dann zum Kehraus am Veilchendienstag im Restaurant „Stolllen“ „verprasst“, wie Thomas Metzen in seiner Mitteilung betont: „Damit sollte der Winter ausgetrieben sein und wir können die Fastenzeit bis Ostern in Ruhe beginnen.“

Winteraustreibungsrituale in der Eifel und im übrigen Bundesgebiet sind nicht gerade selten: Umzüge mit Erbsenstroh- und Strohbären sind ebenso aus dem elsässischen Buschwiller, dem schlesischen Pawlowice, dem baden-württembergischen Kiebingen, dem hessischen Hutzdorf, aus Kirchheim bei Euskirchen, aus Ruschberg (Rheinland-Pfalz) und Sachsen-Anhalt bekannt.

Auch der „Äerzebär“ von Kommern (Stadt Mechernich) ist berühmt, der Jahr für Jahr durch Mühlengasse und Kölner Straße getrieben wird. Regelmäßig heften sich Fotoreporter und Fernsehkamerateams auf die Fersen des Strohbären der Karnevalsgesellschaft „Greesberger“. Mit dem nicht eben typischen „Karnevalsumzug“ wird am Blei- und Greesberg der Winter vertrieben.

 


22 Kilo auf dem Buckel

 


Der „Äerzebär“ verkörpert einen Winterdämonen, schrieb der Kommerner Journalist Paul Düster: „Rund 22 Kilogramm ist das Gewicht des Kostüms, solange es trocken bleibt. Regnet es auf der Tour durch den Ort, kann daraus leicht das Doppelte werden.“ Gut zwei bis drei Stunden kann der Weg mit Musikzug und Gefolge durch den Ort dauern. Dann wird der Äerzbär von seinem Kostüm befreit und das Erbsenstroh nach uraltem Brauch verbrannt.

Auch im Dörfchen Frohngau ganz in der Nähe hat sich das früher in der Eifel weit verbreitete Winteraustreibungsritual bis auf den heutigen Tag erhalten. Allerdings geht dort der „Erbsenbär“, so die wörtliche Übersetzung ins Hochdeutsche, schon ab Rosenmontag. Und das Brauchtum ruht auch nicht in den Händen erwachsener Karnevalisten, sondern die Kinder organisieren den traditionellen „Heischegang“ durchs Dorf. Unterstützt werden sie dabei lediglich von den Eltern der Ältesten.

„Die Tradition existiert hier seit mindestens 150 Jahren“, berichtete Frank Diefenbach der Mechernicher Agentur „ProfiPress“. Nach alter Überlieferung werden die mit Erbsenstroh umwickelten Tanzbären stets von den größten Jungs dargestellt. Das entsprach früher den Volksschul-Entlass-Jahrgängen des achten Schuljahrs. Sie verkörpern den Winter. 

Ihre jahreszeitlichen Gegenspielerinnen sind die Frühlingsköniginnen. Es sind jeweils die Mädchen aus der ersten Klasse. Rosenmontag treffen sich die „Pänz“ um 7:30 Uhr zum Wickeln der beiden „Äerzebären“ in der Scheune von Johann Müller, Hausname „a Knips“. Frank Diefenbach berichtet: „In der Scheune von Johann Müller wird der Äerzebär schon seit über 30 Jahren gewickelt. Johann Müller verstarb 2010. Die jetzige Eigentümerin pflegt die Tradition aber auf eigenen Wunsch weiter.

Das zum Umwickeln erforderliche Erbsenstroh wird in Frohngau jeweils im Sommer/Herbst des vorherigen Jahres durch die beiden Ältesten oder deren Eltern gesammelt und über den Winter getrocknet. Zum Schluss werden die Erbsenbären noch mit schweren Kuhketten umwickelt, an denen die Bärenführer sie durchs Dorf leiten.

 


„Muuzen“ und Waffeln

 


Auf von den Ältesten festgelegten Routen ziehen die Gruppen dann vier bis fünf Stunden lang von Haus zu Haus, um bestimmte traditionelle Lebensmittel wie Mehl, Eier, Butter, Backpulver, Zucker und Salz für eine gemeinsame gute Mahlzeit zu sammeln.

Auch die Lieder, die die unterschiedlich motivierten Gruppen bei ihrem „Heischegang“ (heischen = altes Wort für erbitten, sammeln) singen, unterscheiden sich. Die Jungen singen „Lernt Zufriedenheit von mir“, die Mädchen „Mein Vater, der im Himmel wohnt“.

Die gesammelten Lebensmittel werden zum Pfarrhaus gebracht. Das Pfarrhaus heißt an beiden Tagen „Kauchhuus“ (Kochhaus), weil die „Pänz“ dort von den Eltern der Ältesten bekocht werden. Es gibt jeweils Frühstück, traditionelles Mittagessen, nachmittags „Muuzen“ (Krapfen) und Waffeln sowie Abendessen.

Am Veilchendiensttag wird nicht mehr zum „Kötten“ (Betteln) durchs Dorf gezogen, dann organisieren die Ältesten, in der Eifel häufig auch „Öveschte“ (Oberste) genannt, Gemeinschaftsspiele wie zum Beispiel eine Schnitzeljagd durch den Ort, bei der allerlei Wissenswertes über Frohngau oder einzelne Gebäude abgefragt wird. Der letzte Tag endet mit einem gemeinsamen Abendessen. 

pp/Agentur ProfiPress

„Rund 22 Kilogramm ist das Gewicht des Kostüms, solange es trocken bleibt. Regnet es auf der Tour durch den Ort, kann daraus leicht das Doppelte werden“, schrieb der leider verstorbene Kommerner Journalist Paul Düster. (c) Archivfoto: Paul Düster/pp/Agentur ProfiPress

Veilchendienstag, 13. Februar, ab 14 Uhr wird in Kommern uraltes Winterbrauchtum gepflegt: Stephan Taubert wird im Erbsenstroh-Kostüm als „Äerzebär“ mit viel Trara durch Kommern getrieben – Verbrennung am Bleibach, „Verprassen“ der Einnahmen im „Stollen“

Der „Äerzebär“ muss unterwegs nicht darben. Immer wieder lässt ihm der Bärenführer einen Schluck Obergäriges zufließen. (c) Foto: Thomas Metzen/pp/Agentur ProfiPress