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Was lehrt der heilige Georg die Menschen im 21. Jahrhundert: Aachener Diözesanbischof Dr. Helmut Dieser predigt zum 70. Sankt-Georgsritt in Kallmuth – Gespräche mit Bürgermeister und Landrat am Rande, aber auch mit ganz normalen Gläubigen – Gerhard Mayr-Reineke und Robert Ohlerth mit 50 freiwilligen Ehrenamtlern im Einsatz
Mechernich – Bischof Dr. Helmut Dieser war „angerührt“ vom Ambiente des Kallmuther Sankt-Georgsrittes am 1. Mai, wie er mehrfach betonte. Der Aachener Oberhirte erwies sich bei der 70. Reiterprozession ihrer Art seit 1953 nicht nur als ausgezeichneter Festprediger, sondern auch als nahbarer Seelsorger, der sich unters Volk mischte mit den Worten: „Mal hören, was die Leute sagen…“
Knapp hundert Pferde und über tausend Fuß- und Fahrradpilger, darunter auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Landrat Markus Ramers, wurden gezählt. Das waren weit weniger als beim Rekord vor 20 Jahren, als 400 Rösser und 4000 Menschen dabei waren. Weit mehr aber als 1953, als der damalige Kallmuther Pfarrer Eugen Kranz den Georgsritt zusammen mit den Landwirten der Umgebung aus der Taufe hob, die damals noch auf schweren Kaltblut-Arbeitspferden zum Georgspütz ritten.
Als ihre Erben schritten zum Jubiläum 2024 die irischen Tinker „Jojo“ und „Krümel“ unter ihrem Kutscher Kai Simonis aus Nettersheim dem Sakramentenwagen voran, auf dem drei Kommunionkinder, die Samaritan-Schwestern Rose und Nimisha von der Communio in Christo in Mechernich sowie die Priester Felix Dörpinghaus, Patrick Mwanguhya und Jaimson Mathew sowie der angehende Mechernicher Diakon Tilj Puthenveettil und Bischofsassistent Georg Scharl neben Pontifex Dr. Helmut Dieser Platz genommen hatten.
Mit auf dem Kutschbock als seit 30 Jahren bewährter „Bremser“ saß Dietmar Evertz. Beim gefahrlosen Auf- und Absitzen assistierte Guido Adler den Fahrgästen des Sakramentenwagens, der so heißt, weil auf ihm das Allerheiligste in der Monstranz im Zug mitgeführt wird. Vor dem Gefährt schritten Pfarrer Erik Pühringer, Diakon Manfred Lang und die Lektorin Gaby Schramm, gefolgt vom Musikverein Kallmuth unter der Leitung von Thomas Stoffels und Standartenreiterin Judith Daniels.
Hatte der Wetterbericht zwei Tage vor dem traditionellen Großereignis noch nichts Gutes verheißen, so lachte gottlob am ersten Maimorgen eine strahlende Sonne vom blauen Himmel. Die Temperaturen waren angenehm, hunderte Schaulustige säumten den Prozessionsweg vom Startpunkt an der Kallmuther Burg zum angestammten Gottesdienstplatz am Georgspütz, der bereits seit dem 15. Jahrhundert Zielpunkt von Wallfahrten war.
Zwischen Frömmigkeit und Folklore
Möglicherweise war das Quellgebiet, in dem auch eine römische Brunnenstube als Sammelbecken für die Wasserleitung nach Köln zu finden ist, bereits den keltischen Vorfahren im Talgebiet heilig. Pfarrer Eugen Kranz (Jahrgang 1902), der nach dem Zweiten Weltkrieg in die Eifel kam, kannte die Tradition religiöser Umritte offenbar aus Bayern und Baden-Württemberg.
Er schlug den Kallmuthern 1953 vor, die althergebrachte Prozession zum Georgspütz als kombinierte Reiterprozession und Fußwallfahrt wiederzubeleben. Bischof Helmut Dieser: „Die Sache wurde auf Anhieb zum Erfolg – und blieb eine wirkmächtige Idee!“ Kranz wurde Ende der 50er Jahre nach Krefeld-Fischeln versetzt. Zu seiner Beisetzung 1973 fuhr ein ganzer Bus voller Christen vom Bleiberg an den Niederrhein.
Seit der Premiere ist der Kallmuther Sankt-Georgsritt inzwischen ein Highlight zwischen Volksfrömmigkeit und Folklore geworden. „Viele segnen sich nicht mehr, wenn sie am Allerheiligsten vorbeireiten. Manche rauchen während der Messe hinter der Absperrung, aber sie kommen und sind dabei“, so Diakon Manni Lang, der schon als Sechsjähriger auf dem Brabanter „Ella“ mit seinem Vater Anton Lang mitreiten durfte.
Die Teilnehmerzahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark. Die Maul- und Klauenseuche sorgte dafür, dass viele dem Großereignis fernblieben, dann sorgte die Pandemie für Totalabsagen des Georgsritts. Bischof Dieser freute sich deshalb herzlich über die vielen Menschen und Tiere, die diesmal wieder dabei seien als aufeinander verwiesene und über Jahrhunderte auch angewiesene „Teile von Gottes Schöpfung“.
Dr. Dieser beschäftigte sich mit dem Phänomen der Legendenbildung am Beispiel des Heiligen Georg, eines römischen Reitersoldaten und christlichen Märtyrers, der die schlimme letzte Christenverfolgung im römischen Reich unter Kaiser Diokletian nicht überlebte. Und der doch unter den frühen Christen bereits als strahlender Sieger galt, weil er diesen „furchtbaren Drachen“ mit Mut und Entschlossenheit besiegt hatte.
Bischof Helmut rief die Gläubigen auf, heute und an ihrem Platz in der Welt ebenfalls gegen Unrecht und Intoleranz aufzubegehren. Dazu gab er seinen Zuhörern ritterliche Tugenden an die Hand, die man vom heiligen Georg übernehmen könne, um sein Leben auch im 21. Jahrhundert vor Gott verantwortet zu bestehen.
Erik Arndts Projektchor sang
Der Mechernicher Kirchenmusiker Erik Arndt hatte für den Festgottesdienst am Georgspütz einen Projektchor aus verschiedenen Kirchenchören der GdG (= „Gemeinschaft der Gemeinden“) St. Barbara Mechernich ins Leben gerufen. Unter einem bilderbuchhaft schönen Frühlingshimmel stimmten die Sänger/innen unter anderem Joseph Gabriel Rheinbergs „Dein sind die Himmel, Dein ist die Erde“ an. Und das „Laudate Dominum“ von Knut Nystedt.
Vor der Eucharistiefeier segneten Bischof Dr. Helmut Dieser und Pfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer Pferde und Pilger mit Weihwasser. Den Pontifikalsegen am Ende erteilte der Aachener Oberhirte, der selbst lange Pfarrer in der Eifel war (Adenau), mit dem Georgsreliquiar, das sich im Eigentum der Pfarrgemeinde Kallmuth befindet. Auf dem Rückweg ins Dorf gab es schließlich noch zweimal den sakramentalen Segen mit der Monstranz, im Vorbeizug der Reiter vor der Burg – und in der Pfarrkirche St. Georg.
Zum rund 50köpfigen Team aus lauter ehrenamtlichen Freiwilligen gehörten an führender Stelle Gerhard Mayr-Reineke vom Pfarreirat und Ortsbürgermeister Robert Ohlerth. Auf der Festwiese am Dorfausgang Richtung Scheven wurde auch in diesem Jahr wieder beobachtet, dass viele Menschen anscheinend direkt zur exzellenten Bewirtung mit Erbsensuppe, Kaffee und Kuchen übergehen. Und nicht, wie die meisten anderen, zuerst an Prozession und Gottesdienst teilnehmen. 30 fleißige Helfer/innen, größtenteils aus Kallmuth und Kalenberg, Lorbach und Bergheim, versorgten Gläubige und weniger Gläubige im gleichen Maße gut.
Erstmals waren neben dem Sakramentswagen auch mehrere andere Kutschen mit dabei, darunter Hermann Foemer mit einem Viererzug. Manche Reiter waren als Indianer und Cowboys verkleidet, andere ritten im Sportdress der Turnierreiter oder in Strickpullovern der Islandpferdeverehrer.
Alles ins rechte Bild setzte ein Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks um die Kronenburger Journalistin Stefanie Rhein. Noch während auf der Festwiese gefeiert wurde, ging der Drei-Minuten-Beitrag um 16 Uhr auf Sendung. Er bleibt unter www.ardmediathek.de/ video/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtYzk5Mjc3NGYtN2YxNC00ZjJkLTk4ZjctYWI3ZGRjNGZkNjJl abrufbar. Auch die Kölner Tageszeitungen, die in Mechernich und Umgebung erscheinen, widmeten dem 70. Kallmuther St.-Georgsritt in ihren Donnerstagsausgaben Raum.
pp/Agentur ProfiPress