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Herzlich willkommen im Pastoralen Raum Mechernich
Herzlich willkommen im Pastoralen Raum Mechernich
Mitglieder der Mechernicher Selbsthilfegruppe Long Covid kämpfen gemeinsam für die Anerkennung ihrer Krankheit – Zum ersten Treffen mit Doris Linden-Schultz kamen 50 Betroffene – Kann der Landtagsabgeordnete Klaus Voussem (CDU) helfen?
Mechernich – Krank sein ist nie schön. Die Symptome nerven, man leidet, und bis die Diagnose gestellt ist und die Medikamente wirken, kann es dauern. – Nur: Was, wenn es nach Monaten, oder gar Jahren, mit quälenden Symptomen noch immer keine Diagnose gibt? – Und erst recht kein wirksames Medikament. Ja, nicht mal die Idee von einer adäquaten Behandlung. Weil die Krankheit so neu ist, und dementsprechend unerforscht, dass sie in keinem medizinischen Lehrbuch auftaucht.
„Das ist das Bittere bei Long-Covid“, sagt Bernd Müller. „Ohne Diagnose nimmt dich keiner ernst. Die Ärzte gucken dich an, und du siehst genau, dass sie denken: Der hat was mit der Psyche. Wenn dir das andauernd passiert, überall, dass kein Mediziner dir glaubt und alle immer nur sagen, ach, das bilden Sie sich ein … Dann denkst Du irgendwann selbst, dass du – auf gut Deutsch – einen an der Klatsche hast.“
Kein Wunder, das Bernd Müller aus allen Wolken gefallen ist, als er im März 2023 zum ersten Mal ein Treffen der Selbsthilfegruppe Long-Covid in Mechernich besuchte. „Plötzlich saßen da lauter Menschen, denen es genauso ging wie mir. Die wegen der Krankheit ihren Job verloren hatten, denen niemand glaubte, und die langsam aber sicher an ihren eigenen Wahrnehmungen gezweifelt haben.“ Dieses Gefühl sei so wunderbar tröstlich gewesen, erinnert sich der 60-Jährige. „Wie eine warme Decke, die sich plötzlich um einen legt.“
„Stell Dich nicht so an!“ – Das hören sie oft
Zu verdanken haben die Betroffenen das Doris Linden-Schultz aus Mechernich. Die Therapeutin für Mentaltraining und Entspannungslehre hat selbst bis heute mit den Nachwirkungen ihrer Covid-Erkrankung zu kämpfen. „Parallel bekam ich es in meiner Praxis so oft mit Menschen zu tun, die ähnliche Probleme hatten, dass ich mir dachte, jetzt schaue ich mal nach einer Selbsthilfegruppe. Aber da gab es leider nichts.“
Kurzerhand beschloss Doris Linden-Schultz, selbst tätig zu werden. Beim Wohlfahrtsverband „Der Paritätische“ fand sie wohlwollende Unterstützung, Unterschlupf gewährte man ihr in Räumen der Caritas Mechernich. Was folgte, war eine faustdicke Überraschung: „Zum ersten Treffen kamen über 50 Leute!“ Zu viele, um den Betroffenen im geschützten Rahmen gerecht zu werden, fand Linden-Schultz. „Also teilten wir uns in drei Gruppen auf: Mechernich, Zülpich und Euskirchen.“ Die Selbsthilfegruppe am Bleiberg wird nun von ihr selbst geleitet. Für die rund zwanzig Mitglieder ist Linden-Schultz schon allein deswegen „ein Engel“, weil sie ihnen zuhört, sie ernst nimmt, und ihnen die Möglichkeit zum Austausch bietet.
„Sowas sind die meisten von uns aus ihrem Umfeld nicht gewohnt“, sagt eine Betroffene, im Gegenteil: „Stell dich nicht so an!“, heiße es immer wieder von Freunden und Nachbarn. Oder: „Du arbeitest doch nicht mal, was willst Du denn noch?“ – „Den Stempel ‚depressiv` haben wir alle irgendwann bekommen“, sagt Bernd Müller. Denn über Long-Covid, Post-Covid oder Post-Vac sei einfach noch zu wenig bekannt. „Dass man sich plötzlich fühlt wie ein 90-Jähriger, und von der kleinsten Anstrengung fix und alle ist, sogar tagelange nicht aus dem Bett kommt, oder mit Kopfnebel zu kämpfen hat, als wäre man dement – tja, wer weiß das schon? Ich wusste ja früher selbst nicht, dass es sowas gibt.“ Bernd Müller sagt, er habe sich oft morgens schon „wie von einer Dampfwalze überrollt“ gefühlt. „Dabei war ich vor Covid topfit, bin Mountainbike gefahren, durch die Berge gewandert und war ehrenamtlich aktiv.“
Inzwischen ist Bernd Müller Rentner. Auch nach sieben Wochen in einer psychiatrischen Klinik, wo er aufgrund seines Zustands an fast keiner Therapie teilnehmen konnte, gab es keine gesicherte Diagnose. Erst ein Neurologe habe schließlich die Diagnose „Fatigue-Syndrom nach Covid-19-Infektion“ in den Raum gestellt. „Und so kam ich hier zu dieser Selbsthilfegruppe.“
Krankenkassen übernehmen Medikamente (noch) nicht
Aufklärung ist ein wichtiges Thema für die Betroffenen. Und oft ihre einzige Chance, sagt Michaela Siepmann aus Bad Münstereifel. „Mein Hausarzt hat mich weder ernstgenommen, noch in irgendeiner Form unterstützt. Das war bitter und beschämend und macht mich heute noch wütend.“ Eine Krankheit zu haben, die von den Kassen nicht als solche akzeptiert wird, kann einen Menschen nämlich nicht nur gesundheitlich ruinieren. Weil es keine Therapie gibt, haben Betroffene meist keine andere Wahl, als sich selbst als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen - und für diese Tests müssen sie dann auch noch selber zahlen. „Das muss sich schnellstens ändern!“, sagt Doris Linden-Schultz. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern hat sie deshalb eine Veranstaltung organisiert, die bei Verantwortlichen in Politik und Verwaltung für Aufklärung sorgen soll.
In der nächsten Woche hat die Selbsthilfegruppe Long-Covid Mechernich den Euskirchener Landtagsabgeordneten Klaus Voussem (CDU) zu ihrem Treffen eingeladen, um ihn über ihre alltäglichen Probleme zu informieren: Stigmatisierung, mangelnde diagnostische und therapeutische Angebote, mangelnde Aufklärung und Forschung sind nur einige Themen, bei der sie auf seine Unterstützung hoffen. Zu diesem Zweck wurde eigens ein Acht-Punkte-Plan erstellt. Zugegen sein wird auch Leiterin der Abteilung Gesundheit und Soziales, Birgit Wonneberger-Wrede sowie Dr. Karl Vermöhlen, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, der helfen möchte, Entscheider über das Krankheitsbild und Möglichkeiten der Unterstützung Betroffener aufzuklären.
Wie diese aussehen könnte, zeigt ein Vorbild aus dem hessischen Landtag. Hier wurde kürzlich von den CDU und SPD-Fraktionen ein gemeinsamer Antrag beschlossen, der von Long-Covid und ME/CFS (auch Fatigue genannt) betroffene Menschen stärken soll. „So einen Antrag könnten wir uns auch in NRW vorstellen“, sagt Bernd Müller, der sich neben besserer Gesundheit vor allem eines wünscht: „Endlich ernst genommen zu werden!“
pp/Agentur ProfiPress