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Sybille Schmitz erwarb sich im 20. Jahrhundert unter den Leprakranken der Südsee große Verdienste – Jetzt sprach Franz-Josef Schmitz mit Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick darüber, wie die verdiente Tochter von Strempt vor dem Vergessen bewahrt werden könnte – King George VI. ernannte sie 1951 zum „Member of the British Empire“ – Straßenbenennung im Neubaugebiet geplant
Mechernich-Strempt - „Das Missionsschiff »Julius« liegt zur Abfahrt bereit an der Landungsbrücke von Vunapope in der Südsee. An Bord gehen vier Hiltruper Missionsschwestern, die für die Aussätzigen-Insel Anelaua bestimmt sind. Sie sind jung, gesund und voller Freude, echte missionarische Pionierarbeit leisten zu können“: Mit diesen Worten beginnt ein Bericht im Stil der „Reporter der Windrose“ zur Missionsarbeit der aus Strempt stammenden Ordensschwester Clematia.
Sie wurde 1907 in einem noch heute fast unverändert stehenden Fachwerkhaus in der Gärtnerstraße in Strempt als Sybille Schmitz geboren. Sie war eines von zehn Geschwisterkindern, berichtet ihr früherer Nachbarsjunge Franz-Josef Schmitz: „Damals gab es 13 Familien Schmitz in Strempt, die alle untereinander nicht verwandt waren“.
Nonne auf dem weißen Pferd
Als Franz-Josef sich für die Nonne auf dem weißen Pferd zu interessieren begann, die bei Schmitzens nebenan in der Gärtnerstraße als Fotografie auf dem Küchentisch stand, war „Schmitze Billa“, wie sie im Dorf hieß, längst weit weg in Papua-Neuguinea, auf dem früheren Bismarck-Archipel und Kaiser-Wilhelm-Land, ehedem deutschen Kolonien, die nach dem Ersten Weltkrieg an Großbritannien abgetreten worden waren.
Doch er sollte Franz-Josef Schmitz die Nonne irgendwann selbst kennenlernen, und zwar, als sie in den 60er Jahren auf Heimaturlaub war. Inzwischen war Franz-Josef Fähnrich bei den Strempter Junggesellen und schwenkte Schwester Clematia zu Ehren die Fahne, während der Kirchenchor vor ihrem Elternhaus sang und die Musik spielte.
1925 war Sybille Schmitz in den Orden eingetreten, 1933 in die Mission gegangen und 1951 für ihre Arbeit mit Leprakranken „Member oft the British Empire“ geworden. 1976 kam Clematia aus Gesundheitsgründen wieder ganz in die deutsche Heimat zurück, unter anderem nach Köln und in die Dollendorfer Niederlassung ihres Ordens, den Missionsschwestern vom Heiligen Herzen Jesu.
Seither war sie häufiger bei Franz-Josef und Anni Schmitz in Strempt beim Kaffee, und die Eheleute besuchten sie an ihren verschiedenen Wirkungsorten. Zunächst arbeitete Clematia zehn Jahre in einer Dependance ihres Ordens in Blankenheim-Dollendorf, danach in Oeventrop und seit September 1988 im Mutterhaus in Hiltrup, wo sie 1996 Eisernes Ordensjubiläum feierte und am 18. März 1997 starb.
Die Ehrenbürgerin des britischen Empire wurde zweimal von Päpsten empfangen: im Jahr ihres Goldenen Ordensjubiläums, 1981, von Papst Johannes-Paul II. und 1961 - in Verbindung mit ihrem ersten Heimatbesuch in Strempt - während einer Romreise in Privataudienz von Papst Johannes XXIII.
2024 machte Franz-Josef Schmitz den Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick jetzt auf Sybille Schmitz und ihr abenteuerliches und segensreiches Leben und Wirken aufmerksam. Schmitz, der seinerseits vor einigen Jahren Bekanntheit und Beliebtheit als Miterbauer einer Kirche in Kampala/Uganda erlangte, möchte seine Namensvetterin, die aber nicht mit ihm verwandt ist, vor dem Vergessen bewahren.
Der Strempter Ortsbürgermeister Uwe Höger und die Stadtverwaltung Mechernich wollen dem Stadtrat vorschlagen, im Neubaugebiet Strempt eine Straße nach der Schwester zu benennen. Das sagte Dr. Hans-Peter Schick, der erste Bürger der Stadt, dem „Bürgerbrief“, nachdem er das ihm von Franz-Josef Schmitz zur Verfügung gestellte Material über Schwester Clematia, geborene Sybille Schmitz, gesichtet hatte.
„Ich hege große Bewunderung für den Mut und das Durchsetzungsvermögen meiner früheren Nachbarin, die in der Südsee ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit unter den Leprösen verbunden, versorgt und sogar operiert hat: „Ich habe sie schon als die Nonne auf dem weißen Pferd bewundert, bevor ich sei das erste Mal leibhaftig gesehen habe.“
„Von tapferen Frauen in der Mission“
Der Erzähler Hermann Klingler hat 1957 in seinem bei Herder verlegten Buch „Dienerin ohne Lohn - Von tapferen Frauen in den Missionen“ auch der Strempterin Sybille Schmitz ein Denkmal gesetzt: „Das Mädchen ist 18 Jahre alt, als es sich 1925 in Essen-Hiltrup der Oberin vom Mutterhaus der Missionsschwestern vom Heiligen Herzen Jesu vorstellt. »Und woher kommst Du?«, fragt die Oberin. »Aus Strempt in der Eifel«, antwortet das Mädchen. Und: »Ich heiße nur Sybilla Schmitz«.“
„Sybilla Schmitz, Kind der Eifel,18 Jahre, sehr bescheiden, unter zehn Geschwistern aufgewachsen, tief veranlagt, scheint noch kein Selbstvertrauen zu besitzen“, notiert die Oberin über die künftige Novizin vom Mechernicher Bleiberg.
Das sollte sich im Laufe der Jahrzehntee gründlich ändern. Die Ordens- und Krankenschwester aus der Strempter Gärtnerstraße leistet mit ihren Gefährtinnen auf einsamen Inseln in der Südsee nicht nur Missionsarbeit unter den Einheimischen, sondern auch medizinische und pflegerische Wundertaten unter den Leprakranken.
Als der englische König Georg VI. 1951 die traditionelle Ehrenliste mit den neuen Trägern des Ordens M.B.E. („Member of the British Empire“) herausgibt, befindet sich darauf zum Erstaunen der internationalen Öffentlichkeit auch der Name einer Deutschen: „Sister Mary Clematia Schmitz“.
Die einst so scheue Novizin aus der Eifel hatte sich inzwischen zu einer resoluten Ordensfrau und Member oft he British Empire entwickelt und ein Stück Entwicklungsgeschichte auf den zur britischen Kronkolonie Papua-Neuguinea gehörenden, ehemals deutschen Südseeinseln geschrieben. Sie hatte zusammen mit den Eingeborenen Sümpfe trockengelegt und Äcker bestellt, Operationen selbst durchgeführt und vor allem die Leprastation auf der von der Regierung unter Quarantäne gestellten Insel Anelaua aufgebaut.
„Wir würden für immer isoliert“
Im Orden hatte sie zunächst Krankenschwester gelernt und ihr Oxford-Examen in Englisch gemacht, 1931 ihre erste Profess abgelegt und 1933 ihre Missionsbestimmung für die Südsee erhalten. An Bord des Lloyd-Frachters „Oder“ stach Sybille Schmitz am 21. Oktober 1933 im Bremer Hafen in See.
Die Schwester schrieb in ihren von ihrer Nichte Marianne Knipp übertragenen Lebenserinnerungen: „Unsere Fahrt führte an Afrika vorbei, durch den Indischen Ozean und dauerte drei Monate. Am 21. Januar 1934 kamen wir in Rabaul, East New Britain, an.“
Kurz darauf musste die frisch gebackene Missionarin die entscheidende Frage ihres Lebens beantworten: Der britische Gouverneur von New Guinea hatte gerade alle Leprakranken von ihren Familien und der Gesellschaft getrennt und auf die Insel Anelaua verfrachtet. Er bat die Mission, die Sorge für die Aussätzigen zu übernehmen. Zu den Beratungen mit Generaloberin und Bischof, wer diese heikle Mission übernehmen könnte, wurde auch Clematia hinzugezogen: „Ich erklärte mich bereit und sagte, dass ich darin Gottes Wille sehen würde.“
„Für immer isoliert“ gab Sybilla Schmitz in ihren Lebenserinnerungen zu Protokoll: „Am 28. Februar 1934 lag unser Schiff startbereit an der Landebrücke Vunapope. Wir wurden mit der Musikkapelle von der Katechetenschule Kinigunan verabschiedet. Wir zogen fort mit dem Gedanken, für immer isoliert zu sein.“ Schon nach der Landung auf Anelaua und der Durchquerung der Sümpfe hatte das Malaria-Fieber Maria Clematia und Schwester Orgia gepackt: „Wir mussten uns legen und zusehen, wie die anderen sich mühten.“
Zu betreuen waren zunächst 517 Lepra-Patienten: „287 im ansteckenden Dorf der Knotenaussätzigen und die übrigen im ersten Dorf der Nervenaussätzigen. Aber es kamen immer mehr dazu…“, erinnerte sich die Strempterin in ihrem Bericht.
Nach dem Krieg wieder bei Null
Über die Behandlung ihrer Patienten schrieb Schwester Clematia: „Alepol, Esters oder Chaumogra-Öl wurde tropfenweise in die betroffenen Hautflecken gegeben oder auch intramuskulär. Außerdem waren viele der Patienten mit Geschwüren behaftet, und so waren jeden Morgen die meisten in der Ambulanz, um neu verbunden zu werden. Wir waren nicht nur Krankenschwestern für sie, sondern auch Arzt, Lehrer und Mutter.“
Nebenbei mussten die Schwestern Wege- und Brückenbau, Gartenarbeit, Ananas- und Tapiok-Pflanzungen sowie den Bau von Buschhäusern betreuen. Für die Kinder wurde eine Schule eingerichtet. Besonders harte Jahre brachen für Schwester Clematia und ihre Schützlinge an, nachdem die Japaner ab 1942 die Südseeinseln besetzten. Die Patienten wurden zum Teil in den Wäldern versteckt und dort versorgt, die Missionsstation wurde wiederholt angegriffen, Schwestern und Missionare verwundet und getötet.
Schließlich evakuierte Sybille Schmitz sich und ihre Mitschwestern auf Geheiß der Amerikaner auf eine Nachbarinsel. Von dort wurden sie auf Umwegen nach Australien gebracht. Erst 1947 landeten die Schwestern wieder auf Anelaua. Die Station war verwüstet, voller Müll, schwarze Wolken von Moskitos überzogen den Busch, die Patienten waren, sofern sie noch lebten, weithin verstreut. Die Missionare fingen wieder bei Null an.
1954 wurde Schwester Clematia nach Lemakot versetzt, um dort die erste katholische Krankenpflegeschule aufzubauen. Die gebürtige Strempterin avancierte rasch zur Fürsprecherin der Eingeborenen bei den Behörden. 1976 kehrte sie aus Gesundheitsgründen in die Heimat zurück. Der Kontakt zu ihren zahlreichen Verwandten in der Eifel blieb zeitlebens intensiv. Ihr Nichte Marianne Knipp sagte einmal: „Wenn Tante Billa in die Gegend kam, dann besuchte sie zuerst ihr Elternhaus in Strempt…“
pp/Agentur ProfiPress