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in den Gottesdiensten an Pfingsten
Renovabis-Pfingstkollekte
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Das Projektbeispiel der Pfingstkollekte 2023
Perspektiven schaffen für Menschen, die bleiben
Dr. Jürgen Strötz, Renovabis
Pfingstaktion Renovabis
Dragica (73 Jahre, Name geändert) ist Bosnierin. Sie lebt in einer kleinen Wohnung in Mostar und hat vier erwachsene Kinder. Drei von ihnen arbeiten in Deutschland und Österreich, weil sie zuhause keine Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nur eine Tochter ist im Land geblieben und betreut ihre Mutter so gut es eben geht. Mama Dragica zeigt Anzeichen einer beginnenden Demenzerkrankung. Vom staatlichen Gesundheitssystem kann Dragica nur wenig Hilfe erwarten, es ist hoch verschuldet – und Demenz wird noch nicht einmal als Krankheit anerkannt. So ist die Seniorin ganz auf ihre Tochter angewiesen und könnte nicht überleben, wenn diese auch ins Ausland ginge, um dort zu arbeiten.
So wie Dragica geht es vielen Seniorinnen und Senioren in Bosnien und Herzegowina, insbesondere wenn sie an Demenz oder Alzheimer erkranken und dringend auf Hilfe angewiesen sind. Rund 40 Prozent der alten Menschen leben in dem Balkanstaat in extremer Armut, sind vereinsamt, sozial ausgegrenzt und teilweise auch verwahrlost. Besonders hart trifft es dabei diejenigen, die auf dem Land leben. Dort ist die medizinische Versorgung noch schlechter als in den Städten. Die weiterhin im Land lebenden Verwandten geraten in der Familienpflege schnell an ihre Belastungsgrenzen und leiden häufig an akuten Erschöpfungszuständen.
Bei Renovabis ist man überzeugt, dass diese prekäre Situation nicht hingenommen werden darf: Es gilt, Perspektiven zu schaffen für Menschen, die in Bosnien und Herzegowina bleiben und ihre Angehörigen pflegen. Deshalb fördert Renovabis das von der Caritas entwickelte Modellprojekt „Leben mit Demenz“, das mithilfe von zwei Beratungszentren (in Mostar und Banja Luka) einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lage von Pflegebedürftigen und ihrer Betreuerinnen und Betreuer leistet. Es gibt Kurse für pflegende Angehörige, Freiwillige und Nachbarn von Demenzkranken. Für medizinisches Personal werden Fortbildungen angeboten – es gibt aber auch ganz praktische Hilfen, etwa wenn die Wohnung angepasst werden muss.
Eine Besonderheit in Banja Luka: Im Caritas Altenheim soll ein sogenannter „Snoezelen-Raum“ eingerichtet werden, der den Bewohnern, aber auch externen Gruppen und Personen für Entspannungsübungen und Stress-Therapien zur Verfügung steht. Zusätzlich werden mit dem Betreuungspersonal Möglichkeiten zur Milderung der Verlaufsformen der Erkrankung erarbeitet und deren Wirksamkeit in Workshops erprobt. Neben Symposien zum Themenfeld „Demenz“ bieten die Zentren Online-Informationsabende und Fotodokumentationen, die die Charakteristik der Erkrankung deutlich machen und Wege zum adäquaten Umgang damit vorstellen. – In dieser Kombination eines Dreiklangs von umfassender Wissensvermittlung, Austausch untereinander und konkreter praktischer Hilfe bietet das bereits erfolgreich angelaufene Projekt ein ganzes Spektrum von Angeboten, wie dem „Vergessenwerden“ von Demenzkranken entgegen gewirkt werden kann. Nicht zuletzt dürfte es auch dazu beitragen, dass Angehörige eher bereit sind, die Herausforderungen der Pflege anzunehmen und so damit umzugehen, dass die eigene Gesundheit nicht darunter leidet. Vielleicht wird dies langfristig zu einer Motivation, in Bosnien zu bleiben und das traditionelle Miteinander der Generationen weiter aufrecht zu erhalten.
Quelle: Dr. Jürgen Strötz, Renovabis
In: Pfarrbriefservice.de